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Ein Krakeeler unter falschem Namen
der Austernfischer Weder fischt er, noch bevorzugt er Austern - viel lieber frisst er andere Muscheln, Borstenwürmer, Krebse und Insekten. Am liebsten stochert er in den Watten des Nationalparks nach Nahrung: der Austernfischer.
Dass er ein ausgesprochener Küstenvogel ist, verraten auch seine Spitznamen: Bei uns wird er mitunter „Ostfriesenstorch“ genannt, in Schleswig-Holstein „Halligstorch“. Diesen Namen verdankt er seinem kontrastreich schwarzweiß gezeichnete Federkleid, seinen roten Beinen und seinem langen roten Schnabel.
Mit echten Störchen hat dieser Watvogel aber ebenso wenig zu tun wie mit Austern.
Nicht nur optisch, auch akustisch ist der Austernfischer einer der auffallendsten Bewohner unserer Küste: Er ruft schrill „kliiep“ und „kibick-kibick“, sogar nachts! Geradezu ohrenbetäubend laut sind die auf- und abschwellenden Trillerkonzerte, die die Vögel zur Balz aufführen. Bei diesen merkwürdigen Zusammenkünften schreiten die Männchen mit herab gebeugten Köpfen gruppenweise umher und lassen neben den lang gezogenen Trillern ein „Hämmern“ hören.
Außerhalb der Brutzeit ist der Austernfischer sehr gesellig, am Brutplatz aber sogar Artgenossen gegenüber aggressiv. Gefiederte Eindringlinge werden verfolgt, sobald sie in die Nähe von Eiern und Jungen kommen. Bodenfeinde versucht er durch „Verleiten“ wegzulocken, indem er sich von seinem Nest wegschleicht und durch Scheinbrüten oder das Simulieren von Verletzungen die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Anders als die anderen Watvögel, die ihre Küken lediglich bewachen und wärmen, füttern Austernfischer ihre Jungen mindestens fünf Wochen lang. Deswegen können sie auch erfolgreich hoch oben auf Flachdächern brüten. Die Jungvögel müssen nämlich erst lernen, wie man erfolgreich Muscheln, Schnecken und Krebse knackt und dafür warten, bis ihr Schnabel voll entwickelt und ausgehärtet ist.
Die jungen Austernfischer werden von ihren Eltern übrigens zu echten Spezialisten erzogen, die man bei genauem Hinsehen sogar an ihrer Schnabelform unterscheiden kann. Wenn sie lernen, Muscheln und Schnecken aufzuhämmern, bekommen sie eine abgestumpfte und verkürzte Schnabelspitze (Hammerschnabel). Lernen sie hingegen, blitzschnell in eine leicht geöffnete Muschel zu stoßen und diese aufzumeißeln, dann entwickeln sie eine meißelförmige Schnabelspitze. Wurmfresser schließlich haben einen spitz zulaufenden „Pfriemschnabel“, mit dem sie im weichen Untergrund stochern können. Die einmal erlernte Technik behalten sie ihr Leben lang bei – und das kann bis zu 44 Jahre währen, wie ein Ringfund belegt!
Und um einmal wieder Tiervater Brehm zu zitieren: „Es gibt keinen Vogel am ganzen Strande, der im gleichen Grade wie er rege, unruhig, mutig, neck- und kampflustig und dabei doch stets wohl gelaunt wäre“.
Lassen Sie sich von der guten Laune anstecken, die der Ostfriesenstorch verbreitet!